Wenn der Verlust des Arbeitsplatzes droht, haben viele Arbeitnehmer das Gefühl, sich gerade jetzt nicht auch noch einen teuren Rechtsanwalt leisten zu können. Das ist meist eine klassische „Milchmädchenrechnung“. Ein Rechtsanwalt kann in vielen Fällen höhere Abfindungen heraushandeln. Fast immer bleibt dabei unter dem Strich mehr für den Arbeitnehmer.
Wenn der Jobverlust droht, steht das Thema Abfindung ganz oben auf der Liste der Klärungspunkte. Nahezu jeder kennt die Faustformel, nach der ein Arbeitnehmer ein halbes Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit als Abfindung erhält. Ein Beispiel zum besseren Verständnis:
- Monatliches Bruttogehalt: 4.000 Euro brutto
- Betriebszugehörigkeit: 5 Jahre
- Ergibt: 0,5 x 4.000 x 5 = 10.000 Euro Abfindung
Ganz so einfach ist es aber nicht. Es gibt zum einen keinen gesetzlichen Anspruch auf Abfindungszahlung. Zum anderen ist eine Bemessung nach der Faustformel nirgends festgeschrieben. Warum spielt sie dennoch eine wichtige Rolle? Dies hat zwei Gründe.
- Die Arbeitsgerichte verwenden diese Faustformel als Einigungsvorschlag in Kündigungsschutzverfahren, in denen es keine strittigen Punkte oder außergewöhnliche Tatsachen zu berücksichtigen gibt. Die Berechnung der Abfindung nach der Faustformel wird demzufolge als „Standard“ wahrgenommen.
- Die Bundesagentur für Arbeit hat diese Wahrnehmung in ihre Durchführungsverordnungen zur Verhängung von Sperrfristen aufgenommen. Erhält ein Arbeitnehmer eine höhere Abfindung, verhängt die Agentur regelmäßig eine Sperrfrist (12 Wochen) für den Bezug von Arbeitslosengeld.
Im folgenden Beispiel wird schnell ersichtlich, welche Risiken bei einer unüberlegten Gestaltung eines Aufhebungsvertrages oder eines Abwicklungsvertrages (nach Kündigung) drohen. Wir bleiben bei dem Arbeitnehmer mit 4.000 Euro Monatsgehalt und 5 Jahren Betriebszugehörigkeit.
Zunächst muss die Abfindung nach dem persönlichen Grenzsteuersatz des Arbeitnehmers versteuert werden. Der Arbeitnehmer erhält die „Regelabfindung“ nach Faustformel in Höhe von 10.000 Euro. Bei einem persönlichen Steuersatz von 30% behält er davon 7.000 Euro. Zusätzlich erhält er jeden Monat 1.600 Euro Arbeitslosengeld, insgesamt also bei dreimonatiger Arbeitslosigkeit 4.800 Euro (Annahme: Steuerklasse 3, keine Kinder). Ihm stehen in Summe 11.800 Euro zur Verfügung. Außerdem werden seine Krankenversicherungsbeiträge von der Agentur für Arbeit übernommen.
Gehen wir nun davon aus, dass der Arbeitnehmer sich zutraut, eine höhere Abfindung herauszuhandeln. Selbst wenn er im obigen Beispiel 50% mehr Abfindung als nach Faustformel erzielt, also 15.000 Euro, stellt er sich ohne Rechtsbeistand unter Umständen schlechter. Bei einem Steuersatz von 30% betragen die Abzüge von 15.000 Euro 4.500 Euro, der Auszahlungsbetrag also 10.500 Euro. Die Agentur für Arbeit verhängt dann aufgrund der erhöhten Abfindung mit Sicherheit eine Sperrzeit von 12 Wochen. Für die ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit stehen dem Arbeitnehmer also nur die 10.500 Euro aus der Abfindung zur Verfügung. Statt 5.000 Euro mehr hat unser Arbeitnehmer 1.300 Euro weniger.
Noch schlimmer trifft es ihn, wenn er privat oder freiwillig krankenversichert ist. Denn er muss nun auch seine Krankenversicherung im ersten Monat der Arbeitslosigkeit selbst bezahlen. Je nach Vertrag kommen da schnell 500-700 Euro pro Monat zusammen. Auch seine Rentenversicherung ruht, allerdings beitragsfrei. Dem Arbeitnehmer stehen also – nach Abzug der Krankenversicherungsbeiträge – nur noch 9.900 Euro zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes (und zur Versorgung seiner Familie) zur Verfügung – für ein Vierteljahr. Er hat nun ein Defizit von 1.900 Euro – obwohl er doch 5.000 Euro mehr Abfindung herausgeholt hatte!
Der Arbeitnehmer stellt sich also besser, wenn die Abfindung nur gemäß Faustformel bemessen würde – vorausgesetzt, dass im Rahmen der Ermessensausübung auch die richtige Vorgehensweise zur Vermeidung einer Sperrzeit durch die Agentur für Arbeit angewendet würde. Stellt er sich besser, wenn er einen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzuzieht?
Kann sich das Hinzuziehen eines Fachanwalts rechnen?
Ein guter Anwalt wird nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit eine deutlich höhere Abfindung für seinen Mandaten erzielen. Er wird auch eine geeignete Verfahrensweise berücksichtigen, um eine Sperrzeit zu vermeiden. Der Arbeitnehmer würde im oben geschilderten Fall 10.500 Euro nach Steuern aus der Abfindung behalten und zusätzlich 4.800 Euro Arbeitslosengeld erhalten, also 15.300 Euro. Auch seine Sozialversicherungsbeiträge werden bezahlt, sogar wenn er privat oder freiwillig krankenversichert ist.
Wenn der Anwalt gemäß Rechtsanwaltsgebührengesetz, hier ca. 2.300 Euro, für seine Tätigkeit in Rechnung stellt, hat der Arbeitnehmer mindestens 1.200 Euro mehr in der Tasche. Zusätzlich können die Anwaltskosten als Werbungskosten von der Steuer abgesetzt werden, was beim angenommenen Steuersatz von 30% weitere 700 Euro ausmacht. In Summe bleiben dem Arbeitnehmer selbst bei vorsichtigen Annahmen fast 2.000 Euro mehr.
Zudem regelt der Anwalt sämtliche Belange im Rahmen der Kündigung – den Zeitpunkt des Ausscheidens, das Arbeitszeugnis, offene Vergütungsansprüche, und vieles andere.
Wenn das Gehalt höher und/oder die Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers länger sind, vervielfacht sich der Nutzen der Einschaltung eines Anwalts schnell, da seine Gebühren nicht im gleichen Maße steigen. Sie können die Gebühren des Anwalts schnell mit einem Gebührenrechner ausrechnen. Auch erkennen Sie einen seriösen Rechtsanwalt daran, dass er Ihnen die von Ihnen zu tragenden Kosten detailliert erläutert, bevor Sie ihm das Mandat erteilen.
Noch einmal im Überblick die drei Berechnungsbeispiele:
Rahmenbedingungen: Bruttogehalt 4.000 Euro/Monat, 5 Jahre Betriebszugehörigkeit
ohne Anwalt | ohne Anwalt | mit Anwalt | |
---|---|---|---|
Abfindung | nach Faustformel | 50% über Faustformel, » Sperrzeit des ALG | 50% über Faustformel, keine Sperrzeit |
Multiplikator | 0,5 | 0,75 | 0,75 |
Abfindung (brutto) | 10.000 € | 15.000 € | 15.000 € |
Steuerabzug, ca. 30% | -3.000 € | -4.500 € | -4.500 € |
Abfindung (netto) | 7.000 € | 10.500 € | 10.500 € |
Arbeitslosengeld (ca. 12 Wochen) | 4.800 € | SPERRZEIT | 4.800 € |
Kranken- / Rentenversicherung | übernimmt die Agentur für Arbeit | übernimmt die Agentur für Arbeit ab dem zweiten Monat -600 Euro | übernimmt die Agentur für Arbeit |
Anwaltskosten | - | - | -2.300 € |
Steuerersparnis | - | - | 700 € |
Summe | 11.800 € | 9.900 € | 13.700 € |
Beim Jobverlust lohnt sich ein Anwalt also fast immer – selbst bei kleineren Gehältern oder kürzerer Betriebszugehörigkeit. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass Ihnen durch die Tätigkeit des Rechtsanwaltes viel Arbeit abgenommen wird und Unsicherheiten und Kopfzerbrechen erspart bleiben.
Wenn es um mehr Geld geht, beispielsweise weil das Bruttogehalt höher ist oder eine längere Betriebszugehörigkeit vorliegt, vervielfacht sich der Nutzen des Rechtsanwaltes schnell. Dazu ein weiteres Beispiel mit doppelt so hohem Gehalt und doppelt so langer Betriebszugehörigkeit:
Rahmenbedingungen: Bruttogehalt 8.000 Euro/Monat, 10 Jahre Betriebszugehörigkeit
ohne Anwalt | ohne Anwalt | mit Anwalt | |
---|---|---|---|
Abfindung | nach Faustformel | 50% über Faustformel, » Sperrzeit des ALG | 50% über Faustformel, keine Sperrzeit |
Multiplikator | 0,5 | 0,75 | 0,75 |
Abfindung (brutto) | 40.000 € | 60.000 € | 60.000 € |
Steuerabzug, ca. 38% | -15.200 € | -22.800 € | -22.800 € |
Abfindung (netto) | 24.800 € | 37.200 € | 37.200 € |
Arbeitslosengeld (ca. 12 Wochen) | 6.100 € | SPERRZEIT | 6.100 € KEINE SPERRZEIT |
Kranken- / Rentenversicherung | übernimmt die Agentur für Arbeit | übernimmt die Agentur für Arbeit ab dem zweiten Monat -600 Euro | übernimmt die Agentur für Arbeit |
Anwaltskosten | - | - | -3.300 € |
Steuerersparnis | - | - | 1250 € |
Summe | 30.900 € | 36.600 € | 41.250 € |
Der Arbeitnehmer hat je nach Lösung von ca. 4.500 bis über 10.000 Euro mehr in der Tasche, wenn er sich einen Rechtsanwalt nimmt – und zwar nachdem er diesen bezahlt hat. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass ein guter Anwalt regelmäßig auch deutlich höhere Abfindungen für seinen Mandanten erzielt, weil er alle Argumente kennt, die in solchen Verhandlungen ins Feld geführt werden können. Am Ende des Jahres wird der Vorteil noch größer, weil die Anwaltskosten vollständig als Werbungskosten von der Steuer abgesetzt werden können. In unserem Beispiel wäre das eine Steuerentlastung von mehr als 1.200 Euro. Ist der Arbeitnehmer rechtsschutzversichert, ist die Sache sogar noch einfacher, denn im Regelfall trägt die Versicherung alle Kosten des Anwalts.
Tatsächlich verhängt die Agentur für Arbeit sogar bei Abfindungen in der Größenordnung der Faustformel eine Sperrzeit, wenn diese Abfindung im Rahmen eines Aufhebungsvertrages gewährt wird. Denn bei Aufhebungsverträgen geht die Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich davon aus, dass der Arbeitnehmer an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mitgewirkt hat. Selbst im ersten Beispiel – Abfindung nach Faustformel – würde sich die Beauftragung eines Anwalts lohnen. Denn nur wenn alle Formulierungen präzise stimmen und alle notwendigen Verfahrensschritte genau eingehalten werden, kann eine Sperrzeit zuverlässig vermieden werden.
Unter dem Strich ist der Aufhebungsvertrag eine Lebenssituation, in der sich die Hilfe eines Anwalts wirklich rechnet – selbst dann, wenn keine Rechtsschutzversicherung vorliegt.