Fachanwalt für Arbeitsrecht
Spezialist für Aufhebungsverträge
Spezialist für Kündigungsschutzverfahren
Infolge der Insolvenz der britischen Muttergesellschaft Thomas Cook Group plc haben nun auch die deutschen Gesellschaften Insolvenzanträge gestellt. Folgende Gesellschaften sind betroffen:
- Thomas Cook GmbH
- Thomas Cook Touristik GmbH
- Öger Tours GmbH
- Bucher Reisen
Betroffen sind auch die Thomas Cook Marken
- Air Marin
- Thomas Cook Signature
- Neckermann Reisen.
Kündigungsverfahren sind bei den deutschen Gesellschaften des Konzerns bereits eingeleitet, die zahlreiche dort tätige Mitarbeiter betreffen. Jetzt gilt es seitens der Mitarbeiter hierauf richtig zu reagieren.
Dr. Gero Bathke, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Experte für Aufhebungsverträge und Kündigungen, erklärt in diesem Artikel, welche Rechte die von Kündigungen bedrohten Arbeitnehmer haben.
1. Arbeitnehmerrechte bei Kündigung in der Insolvenz
Die Insolvenz eines Unternehmens ist kein Kündigungsgrund.
Vielmehr gelten auch in einer Insolvenzsituation die allgemeinen arbeitsrechtlichen Regelungen. Nur in Teilbereichen ergeben sich in einer Insolvenzsituation folgende Besonderheiten:
Besonderheit 1: Kündigungsberechtigter
Hinsichtlich der Formalien einer Kündigung gilt die Besonderheit, dass die Kündigungsberechtigung vom bisherigen Arbeitgeber auf den Insolvenzverwalter übergeht.
Bei den Thomas-Cook-Gesellschaften muss anhand des tagesaktuellen Verfahrensstandes im Insolvenzverfahren der jeweils Kündigungsberechtigte geprüft werden.
Die genaue Prüfung der Kündigungsberechtigung lohnt sich, denn eine Kündigung ist bei Fehlern in diesem Bereich unwirksam.
Besonderheit 2: Kündigungsfristen
Bei den Kündigungsfristen bestehen im Insolvenzverfahren einige Nachteile für den Arbeitnehmer.
Zwar gilt zunächst im Bereich einer ordentlichen Kündigung die gesetzliche, tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Frist in Form der für den Arbeitnehmer günstigsten Norm, sprich die längste Kündigungsfrist. Sofern Kündigungsfristen mit weniger als drei Monaten bestehen, kann der Insolvenzverwalter nach diesen Fristen kündigen. Anders bei Kündigungsfristen von mehr als drei Monaten:
Es gilt nach Insolvenzrecht eine sogenannte Höchstfrist von drei Monaten. Das bedeutet, dass die Kündigungsfrist für den Insolvenzverwalter immer auf maximal drei Monate begrenzt ist, selbst wenn die gesetzlichen, tarifvertraglichen oder arbeitsvertraglichen Kündigungsfristen länger als drei Monate sind. Dies ergibt beispielsweise für den über 20 Jahre lang beschäftigen Arbeitnehmer eine Herabsetzung der arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist von sieben Monaten auf drei Monate.
Besonderheit 3: Personen mit besonderem Kündigungsschutz wegen langjähriger Betriebszugehörigkeit oder Lebensalter
Besondere, für den Arbeitnehmer nachteilige Regelungen gelten im Bereich des Kündigungsschutzes für Personen, die wegen Lebensalters/Betriebszugehörigkeit aufgrund Tarifvertrag nicht ordentlich kündbar sind. Hier durchbricht die Insolvenzordnung diesen Kündigungsschutz, indem die eigentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisse mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden können. Ein solcher altersbedingter Kündigungsschutz kann sich außer aus einem Tarifvertrag auch aus einer Betriebsvereinbarung oder individuellen Abreden mit dem Arbeitnehmer ergeben. Auch in diesen Fällen wird der Kündigungsschutz durchbrochen, und es gilt dann eine Drei-Monats-Frist für Kündigungen.
Auch der Kündigungsschutz aus einem Standortsicherungsvertrag, der vor dem Insolvenzverfahren abgeschlossen wurde, wird durchbrochen.
Alle anderen Kündigungsschutznormen, insbesondere das Kündigungsschutzgesetz, finden aber auch in der Insolvenzsituation Anwendung.
Für außerordentliche Kündigungen ergeben sich keine Modifikationen, ebenso nicht im Bereich personenbedingter oder verhaltensbedingter ordentlicher Kündigungen.
Hinsichtlich betriebsbedingter Kündigungen gilt auch in der Insolvenzsituation das Kündigungsschutzgesetz sowie die vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht hat insoweit für den Bereich von betriebsbedingten Kündigungen ein strenges vierstufiges Prüfschema entwickelt
- Stufe 1: Bestehen dringende betriebliche Erfordernisse für den Wegfall des Arbeitsplatzes?
- Stufe 2: Ist ein anderer freier und gleichwertiger Arbeitsplatz im Betrieb oder einem anderen Betrieb des Unternehmens vorhanden?
- Stufe 3: Ist anderer freier, jedoch geringwertigerer Arbeitsplatz vorhanden?
- Stufe 4: Ist eine ordnungsgemäße Sozialauswahl im Betrieb erfolgt?
Besteht ein Betriebsrat, müssen vorab mit diesem Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan stattfinden. Wird im Interessenausgleich eine Namensliste zu kündigender Arbeitnehmer vereinbart, gilt insolvenzrechtlich eine gesetzliche Vermutung, dass die Kündigung gerechtfertigt ist. Diese Vermutung kann im Einzelfall aber durchaus widerlegt werden.
Im Bereich einer Betriebsschließung und für die Stilllegung wesentlicher Betriebsteile gilt es, folgendes zu beachten: Stützt der Insolvenzverwalter die Kündigung auf eine Stilllegungsabsicht, kann diese Absicht angezweifelt werden, wenn ein Übernahmeangebot im zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung verhandelt wird. Hier ergeben sich arbeitnehmerseitig oft gute Argumentationsmöglichkeiten, das Vorliegen einer Stilllegungsabsicht anzuzweifeln.
Bei Sonderkündigungsschutz, z.B. für Betriebsbeauftragte, Behinderte, Sonderkündigungsschutz wegen Pflege oder Familienelternzeit, Schwangerschaft oder Elternzeiten ist auch zu prüfen, ob der Insolvenzverwalter vor Kündigungen die erforderlichen behördlichen Zustimmungen eingeholt hat.
Bei einem Betriebsübergang gilt auch in der Insolvenz die normale gesetzliche Regelung, dass eine Kündigung wegen des Übergangs eines Betriebes unwirksam ist.
Bei Vorliegen eines sogenannte Erwerberkonzeptes ist eine betriebsbedingte Kündigung möglich, wenn der Erwerber ein konkretes Konzept erstellt hat, wie die Arbeitsplätze zukünftig zugeordnet sein werden, und wenn dieses Konzept auch hinreichend klar und nachvollziehbar ist. Auch dies ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen. In vielen Fällen ergeben sich auch hier Angriffsmöglichkeiten.
2. Klage zum Arbeitsgericht
Der richtige Klagegegner bestimmt sich nach Stand des Insolvenzverfahrens. In aller Regel ist der Insolvenzverwalter der Klagegegner.
Nach Zugang der Kündigung gilt eine Frist von drei Wochen, innerhalb derer eine Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden muss.
3. Wie sind die Chancen der Arbeitnehmer?
Da bis auf einige Besonderheiten auch in der Insolvenzsituation das gesamte strenge Kündigungsschutzrecht nebst der dahinter stehenden Rechtsprechung Anwendung findet, ergeben sich auch in der Insolvenzsituation vielfältige Möglichkeiten, Kündigungen wirksam anzugreifen. Wenn nicht ganz sicher feststeht, dass der Betrieb vollständig eingestellt wird, sondern stattdessen der Betrieb zumindest teilweise fortgeführt oder (teil-)übertragen wird, lohnt es sich in vielen Fällen, gegen die Kündigung fristgerecht binnen drei Wochen Klage zu erheben, um so die Chancen auf einen Fortbestand des Arbeitsplatzes oder eine Abfindungszahlung zu wahren.
Zudem ist die Überprüfung angebotener Aufhebungsverträge – auch solcher auf Sozialplanbasis – bezogen auf den Einzelfall sinnvoll, um Nachteile wie z.B. Sperrzeiten beim Bezug von Arbeitslosengeld oder Ausschlüsse berechtigter Ansprüche zu vermeiden.